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Ein Kompartmentsyndrom entsteht zum Beispiel, wenn Gewebe nach einer Verletzung anschwillt, sich aber nicht ausdehnen kann – weil es von einer straffen Bindegewebshülle oder einem Verband umgeben ist. So steigt der Druck, das Gewebe nimmt Schaden
Gewebe, das von einer straffen Bindegewebsschicht (Faszie) umschlossen ist, heißt Kompartiment. Klassische Kompartimente sind zum Beispiel manche Muskelgruppen an Armen und Beinen. Unter bestimmten Umständen (siehe weiter unten) erhöht sich der Druck in einem solchen Kompartiment. Bleibt diese Druckerhöhung unerkannt und unbehandelt, kann das betroffene Gewebe zugrunde gehen. Der Fachausdruck dafür ist Kompartmentsyndrom.
Grundsätzlich ist ein Kompartmentsyndrom in jeder Körperregion möglich, in der Gewebe vollständig von einer wenig elastischen Hülle umschlossen ist, wie die Muskelgruppen in den Beinen und Armen von den Faszien.
Einen Sonderfall stellt eine Druckerhöhung im Bauchraum dar – ein abdominelles Kompartmentsyndrom. Ursächlich hierfür ist meist eine Erkrankung des Bauchraums wie beispielsweise ein Darmverschluss oder eine Bauchverletzung. Vor allem schwer kranke Intensivpatienten können ein abdominelles Kompartmentsyndrom entwickeln.
Dieser Beitrag beschränkt sich auf das klassische Kompartmentsyndrom der Gliedmaßen.
Am häufigsten tritt ein Kompartmentsyndrom als Komplikation nach Knochenbrüchen auf (75 Prozent der Fälle). Das Risiko für das Auftreten eines akuten Kompartmentsyndroms scheint für Männer unter 35 Jahren erhöht zu sein. In der Mehrzahl der Fälle ist der Unterschenkel betroffen. Begleitende Muskelverletzungen erhöhen das Risiko, ebenso Mehrfachverletzungen (zum Beispiel ein sogenanntes Polytrauma oder Verbrennungen). Aber auch bei Verletzungen ohne Knochenbruch wie beispielsweise Quetschungen kann sich ein Kompartmentsyndrom ausbilden. Seltener kommen auch nicht-traumatische Ursachen (ohne Gewalteinwirkung) infrage wie beispielsweise eine Thrombose.
Bei der Ausbildung eines Kompartmentsyndroms wirken unterschiedliche Faktoren zusammen. Zum einen kommt es zu einer Zunahme des Volumens in einem Kompartment. Das passiert meistens durch Schwellungen oder Blutergüsse im Bereich einer Verletzung. Andere Ursachen können die Infusion von viel Flüssigkeit sein, aber auch bestimmte Medikamente. Aufgrund einer veränderten Durchblutung im betroffenen Gebiet werden die kleinsten Gefäße (Kapillaren) durchlässiger für Flüssigkeit, welche sich in den Blutgefäßen befindet und es kommt zusätzlich zum Austritt von Flüssigkeit in das Kompartiment (Ödembildung).
Dazu kommt Druck von außen, zum Beispiel durch einen enganliegenden Gipsverband. Er verhindert, dass sich das Gewebe ausdehnen kann. Darum erhöht sich der Druck. Weitere mögliche Ursachen sind Begleitverletzungen: Zum Beispiel kann eine Verbrennung oder Erfrierung die gesamte Gliedmaße umschließen. Auch eine ungünstige Lagerung der verletzten Gliedmaße führt manchmal dazu, dass der Druck im Gewebe steigt.
Am häufigsten tritt ein Kompartmentsyndrom 12 bis 36 Stunden nach einem Unfall auf.
Wichtigstes Symptom eines Kompartmentsyndroms sind heftige Schmerzen der verletzten Gliedmaße über das Maß der zu erwartenden Schmerzen durch die Verletzung selbst hinaus. Auch durch starke Schmerzmittel ist der Schmerz kaum zu lindern. Typisch sind auch starke Schmerzen bei passiver Dehnung. Eine Schwellung ist vor allem bei oberflächlich gelegenen Kompartimenten sichtbar. Tiefer gelegene Gewebe sind schwerer zu beurteilen. Gefühlsstörungen unterhalb der betroffenen Region und Störungen der Bewegungsfunktion sind Zeichen einer länger bestehenden Druckerhöhung.
Ein unbehandeltes Kompartmentsyndrom kann schwere Folgen haben. Durch die Druckerhöhung ist die Versorgung des betroffenen Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen beeinträchtigt. Es kann zum Zerfall von Muskelgewebe kommen. Die Folgen eines unbehandelten Kompartmentsyndroms reichen von einer bleibenden Beeinträchtigung der Funktion der betreffenden Gliedmaße bis hin zu ihrem Verlust.
Vor allem bei ausgedehntem Muskelzerfall drohen auch akut lebensbedrohliche Komplikationen: Bei einer Zerstörung von Muskelgewebe werden Stoffe freigesetzt, die zu einem Versagen lebenswichtiger Organe (zum Beispiel der Niere ) führen können (ein sogenanntes "Crush-Syndrom").
Die wichtigsten Hinweise sind die Beschwerden des Patienten. Besonders schwierig ist die Diagnose daher bei Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht kontaktfähig sind, zum Beispiel weil sie wegen schwerer Begleiterkrankungen in einem künstlichen Tiefschlaf liegen.
Der Arzt zieht Rückschlüsse aus dem Untersuchungsbefund, also dem Aussehen, der Temperatur und dem Puls der Gliedmaße. Daneben besteht auch die Möglichkeit, den Druck im Gewebe direkt zu messen. Dazu sind Messvorrichtungen nötig, bei denen eine Hohlnadel mit einem Druckabnehmer verbunden ist. Sticht der Arzt die Nadel in einen Muskel ein, so kann er den Druck ablesen, der dort herrscht. Bedeutung haben die gemessenen Werte vor allem als Vergleichswerte im Verlauf. Absolute Grenzwerte für einen kritischen Gewebedruck gibt es nicht. In der Regel entscheidet der Arzt nach dem klinischen Untersuchungsbefund ob eine Operation nötig ist oder nicht.
Da die Folgen eines Kompartmentsyndroms schwerwiegend sein können, ist schon bei Verdacht eine sofortige Behandlung notwendig.
Bei jedem Verdacht auf ein Kompartmentsyndrom überprüft der Arzt Gipsverbände und Bandagen und legt sie bei Bedarf neu an. Auch kontrolliert er die Lagerung der Gliedmaße.
Lassen sich die Beschwerden durch diese Maßnahmen nicht beeinflussen, ist eine Operation notwendig. Die Ärzte eröffnen die Haut und die darunter liegende Bindegewebsschicht (Faszie) über die gesamte Länge des betroffenen Kompartiments, damit sich das Gewebe ausdehnen kann und dadurch keine Folgeschäden entstehen. Die Wunde wird vorübergehend mit synthetischen Materialien bedeckt. Ein endgültiger Verschluss der Wunde durch eine Naht ist in der Regel nach Ablauf von etwa einer bis zwei Wochen möglich.
Ein Kompartmentsyndrom ist eine chirurgische Notfallsituation, die ohne Zeitverzögerung behandelt werden muss. Bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie ist die Prognose in der Regel sehr gut.
Dr. med. Niels Erasmus Krahn, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist Leitender Arzt am BG Klinikum Duisburg.
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.
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